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Bernhard Meuser: Bitte Frühling – auch für die Kirche

Der YOUCAT-Initiator wünscht sich, während draußen die ersten Bäume blühen, einen missionarischen Aufbruch in der deutschsprachigen Kirche.
Zur Osterzeit liest die katholische Kirche die Apostelgeschichte.
Foto: IMAGO/Frank Drechsler (www.imago-images.de) | Zur Osterzeit liest die katholische Kirche die Apostelgeschichte. Diese frühe Zeit der jungen Kirche muss uns heute inspirieren, so „Tagesposting“-Kolumnist Meuser.

Ich liebe die Osterzeit. Ich liebe sie auch deshalb, weil dort die Apostelgeschichte verlesen wird – jeden Tag ein Stück Frühling der Kirche. Draußen – in der Natur und der realen Kirche – ist April; es regnet und schneit uns in die Blüten. Wir sehnen uns danach, dass die Sonne durchkommt und wir all diese winterlichen Begriffe entsorgen können: die Müdigkeit, die Depression, die Apathie, die Lethargie. Im Winter bleiben wir drinnen. Wir beschäftigen uns mit uns selbst. Es kommt nicht zu Begegnungen, nicht zu Aufbrüchen im Freien. Ida Friederike Görres hat allerdings ein weises Wort zu einem Buchtitel gemacht: „Im Winter wächst das Brot.“ Will sagen: Die Zeiten, in denen wir nicht aus den Puschen kommen, in denen wir gefangen sind in Selbstbeschäftigungen, haben ihren eigenen Segen. Da wächst das Brot. Das Unbehagen am Kokon. Die Lust auf Freiheit. Dass etwas geht. Dass die Dinge vorankommen. 

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Was ist das für eine Kirche, die sich einigelt im Status quo ihrer schrumpfenden Verhältnisse? 80 Millionen Menschen leben in Deutschland. Auf eine Zielgruppe von 80 Millionen Menschen hat Gott die Kirche hierzulande designt. Alle (!) sollen mit Gott versöhnt werden. Dazu ist die Kirche da. Dass Gott „nur ausgewählte Menschen für diese Versöhnung erlesen und sie nur ihnen effektiv zugewandt hätte, ist christlich eine Häresie“, schreibt Hans Urs von Balthasar. „Nirgends ist im leisesten davon die Rede, Gott habe (nur) die Kirche erlöst. Das katholische Gotteswerk ist nicht sektiererisch, sondern in seiner Absicht und seinem Umfang katholisch.“

An der Teilnahme an den Sakramenten messen

Sollen wir uns damit abfinden, eine Sekte zu sein? Zur katholischen Kirche gehörten 2022 noch ganze 20,9 Millionen Menschen. Von diesen 20,9 Millionen Katholiken nahmen etwa 19,9 Millionen nicht am kirchlichen Leben teil. Die Kirche misst man ja nicht an weitläufigen Gesinnungen, schönen Absichten und demoskopisch ermittelten Werte-Präferenzen. Man misst sie an der Teilnahme an den Sakramenten. Und zwar in Kombi. Also Taufe nicht ohne Firmung. Eucharistie nicht ohne Beichte. Ehe nicht ohne Sakrament. In den Gottesdiensten fanden sich zuletzt noch etwa eine Million Menschen (nun gut: eine erhebliche Zahl nahm vielleicht noch an Fernsehgottesdiensten teil).

Aber eine andere Zahl geht noch mehr unter die Haut. Unter den circa eine Million Katholiken, die sich real auf die Sonntagssocken machten, bemerkte man zuletzt fast nur noch ältere Menschen. Hier in der „Tagespost“ war zuletzt der couragierte Denkstoff des Wiener Studentenseelsorgers George Elsbett zu lesen: „In Wien liegt der Anteil von praktizierenden jungen Katholiken geschätzt unter einem Prozent. Wenn wir also nicht lernen, das eine Schaf ruhig grasen zu lassen, um die 99 zu suchen, können wir bald zusperren.“ Langsam sollte sich in der Kirche die Gewissheit durchsetzen, dass wir über alles und noch mehr reden können – aber erst dann, wenn der Frühling kommt: Der missionarische Aufbruch, das echte Interesse an Neuevangelisierung, Katechese, Jüngerschaft.

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