Wie kann man Menschen, die die katholische Kirche nie durch Steuerzuwendungen unterstützt haben, dazu bewegen, dies zu tun? Die Spanische Bischofskonferenz, die auf freiwillige Zuwendungen der Steuerzahler angewiesen ist, hat eine originelle Idee entwickelt: Sie lud fünfzehn Personen unterschiedlichen Alters zu einer 1200 Kilometer langen Busreise ein, bei der die Teilnehmer die Empfänger dieser Unterstützung persönlich kennenlernen konnten.
Freiwillige Abgabe statt Steuer
Zunächst ein Wort zum spanischen System der Kirchenunterstützung: In Spanien gibt es keine Kirchensteuer wie in Deutschland, aber eine freiwillige Abgabe. Bei der spanischen Einkommensteuererklärung hat der Steuerpflichtige vier Optionen: Er kann sich entscheiden, die Kirche zu unterstützen, indem er das entsprechende Kästchen mit einem „X“ markiert. Dadurch werden 0,7 Prozent seiner Steuerlast der Kirche zugewiesen. Alternativ kann er ein zweites Kästchen ankreuzen, um 0,7 Prozent seiner Steuerlast „Tätigkeiten von allgemeinem sozialem Interesse“ zuzuweisen. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, beide Kästchen zu markieren, wodurch jeweils 0,7 Prozent seiner Steuerlast sowohl der Kirche als auch den sozialen Tätigkeiten zugewiesen werden. Dadurch beläuft sich die Gesamtzuwendung auf 1,4 Prozent der Steuerschuld. Wird kein Kästchen angekreuzt, geht die gesamte Steuerschuld an den Staat. Ein spanischer Steuerzahler spart demnach nichts, wenn er weder die katholische Kirche noch soziale Tätigkeiten unterstützen möchte – seine Gesamtsteuerlast bleibt unverändert.
Im Gespräch mit der „Tagespost“ erläutert José María Albalad, Direktor des „Sekretariats für die Unterstützung der Kirche“ bei der Spanischen Bischofskonferenz, wie das Programm zustande kam: „Wir sind davon überzeugt, dass Menschen, die auf der Steuererklärung kein ,X‘ für die Kirche machen, häufig nicht wissen, was die Kirche mit diesem Geld tut. Wir könnten es ihnen erzählen, aber wir ziehen es vor, dass diese Menschen es aus erster Hand erfahren, indem sie zumindest einen kleinen Teil der sozialen und geistlichen Arbeit sehen, die die Kirche leistet.“
Eine Reise, um Vorurteile abzubauen
Aus mehr als 200 Bewerbungen für eine fünftägige Busfahrt wurden 15 Personen ausgewählt, deren Kosten für Unterkunft, Transport und Verpflegung von der Bischofskonferenz übernommen wurden. Albalad erklärt die Auswahlkriterien: „Wir wollten sicherstellen, dass sich die Teilnehmer nicht kannten und dass Männer und Frauen in etwa gleicher Zahl sowie Menschen unterschiedlichen Alters – von 19 bis 61 – und mit unterschiedlichen persönlichen Lebensumständen vertreten waren. Es war uns wichtig, zu verstehen, warum sie bisher kein ,X‘ für die Kirche bei der Steuererklärung gemacht hatten. Dabei gab es eine breite Palette: von denen, die fälschlicherweise glaubten, dadurch würden sie mehr Steuern zahlen, über diejenigen, die durch verschiedene Skandale innerhalb der Kirche abgestoßen wurden, bis hin zu denjenigen, die Vorurteile gegenüber der Institution Kirche hatten oder einfach keine Ahnung hatten, was mit dem Geld passiert. Einige von ihnen hatten noch nie in ihrem Leben einen Priester gesehen und bekamen durch die Reise die Möglichkeit, in einem Klima des Respekts ihre Meinung zu sagen.“
Die Reisegruppe besuchte Einrichtungen wie ein Heim für die Wiedereingliederung ehemaliger Häftlinge, ein diözesanes Familienberatungszentrum, das Unterstützung für psychische Gesundheit leistet, ein Hilfszentrum für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, ein Gemeinde- und Pflegezentrum für Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen sowie ein Obdachlosenheim. Außerdem lernten sie die Arbeit eines jungen Priesters kennen, der in neun kleinen und entvölkerten Ortschaften die Frohe Botschaft verkündet. „Es war eine Reise ins Herz der Kirche, die in einem Klima des Misstrauens begann, die aber nach und nach das Herz der Teilnehmer berührte: Von den 15 Teilnehmern sagten am Ende elf zu, das Kästchen anzukreuzen“.
Kirche leistet unverzichtbare Hilfe
Auf der Homepage der Kampagne sind einige Aussagen der Teilnehmer zu lesen. So erklärt die 44-jährige Almudena, die als Grafikdesignerin arbeitet und nicht getauft ist: „Durch die Teilnahme habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen, dass die Kirche viel mehr hilft, als ich dachte. Die Arbeit von Caritas mit Obdachlosen und bei der Wiedereingliederung von Gefangenen hat mich besonders beeindruckt. Ich habe gesehen, dass die Kirche dorthin geht, wo die Gesellschaft und der Staat nicht hinkommen.“ Die jüngste Teilnehmerin, die 19-jährige Studentin Jade, die auch als Kellnerin arbeitet, musste nach der Reise ihre Meinung über die Kirche revidieren: „Es ist unbestreitbar, dass die Kirche für unsere Gesellschaft etwas tut, was viele Menschen nicht tun, weder Politiker noch andere Menschen, die sich für etwas Besseres halten als die Gläubigen.“ Außerdem habe sie festgestellt, dass einige ihrer Mitreisenden „ihr Denken komplett geändert haben – das ist bemerkenswert.“ Für den ältesten Teilnehmer, den 61-jährigen Manuel, hat die Reise auch seinen Blick auf die „Peripherien der Gesellschaft“ geschärft: „Ich habe ein Gefühl für die Bedürftigen bekommen, für Menschen, von denen man annimmt, dass der Staat ihnen Geld gibt und das war‘s...“ Besonders berührt habe ihn die Geschichte eines fast Gleichaltrigen, der Koch war, durch eine Depression alles verloren hatte und dann auch im Gefängnis gelandet war. Auf den Punkt bringt es die 41-jährige Psychologin Aida: „Nach allem, was ich auf der Reise gesehen habe, wäre es einfach unmenschlich, das Kästchen nicht anzukreuzen“.
José María Albalad zufolge ist noch nicht entschieden, ob die Kampagne nächstes Jahr wieder stattfinden wird: „Es ist auch möglich, dass solche Reisen in kleinerem Maßstab in einzelnen Diözesen organisiert werden.“ Das Potenzial dafür ist jedenfalls vorhanden: Die Zahl der Steuerzahler, die die Kirche unterstützen, ist rückläufig: Zuletzt sank es von 31,29 Prozent im Jahr 2022 auf 30,99 Prozent im Jahr 2023.
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